Daimon Verlag

Weltenmorgen
von
Gitta Mallasz

Leseprobe

Der Mythos von Heute

Hört sich ein Kind ein Märchen an, so wird es selbst zum Helden... es kämpft gegen den "Drachen", den "grossen Seelenfresser", den "Schwarzen Angler"... und wird von einem hilfreichen Wesen gerettet. Alles ist möglich.

Auch wir, die vier Freunde in Budaliget, erlebten in der Gegenwart der Engel ein grosses Märchen: den heutigen Mythos einer Dimension, wo alles möglich wird. Ohne das ergriffene, aufmerksame Zuhören, das dem eines Kindes ähnlich war, hätten wir ihr Wort aber nicht aufnehmen können.

Ich erzähle nun davon. Um diesen Mythos vernehmen zu können, braucht es aber auch eine besondere Art von Zuhören. Ein Zuhören, das viele von uns in der Kindheit einmal kannten, als Erwachsene aber unter der Macht eines blutleeren Intellekts verlernt haben. Dieser wurde bildhaft "der schwarze Angler" genannt, dessen Köder der menschliche Gedanke ist. Im Moment wo noch nie Gehörtes vernommen wird, setzt sich so oft die gut geölte Denkmaschine in Bewegung: sie zieht aus dem Wissensreservoir des Kopfes die sauber klassifizierten Schubladen des schon Gewussten hervor und konstatiert dann kalt vergleichend:

"Das ist beinahe wie ein Zen-Koan...

Oder: "Chankaracharya, der grosse Kommentator der Veden, hat das auch schon vor langem gesagt... "

Vielleicht auch:

"Meister Eckhart hat diese Idee in seinen Predigten in ähnlicher Weise entwickelt..."

So nimmt das Vergleichen mit dem Vergangenen kein Ende und es gibt keine erlebte Gegenwart mehr.

Wer dieser Kopf-Akrobatik nicht widersteht, wer dieser intellektuellen Routine fügsam folgt, der kann nicht hören. Die Mechanik des Gedankenlärms macht ihn taub.

Neue Lebenskeime können in der Atmosphäre nur verstandesmässigen Urteilens nicht erwachen. Sie werden von der Übermacht des schon Gewussten, schon Bekannten erstickt, erdrückt.

Wovon aber spricht der Mythos, dem wir so aufmerksam zuhören sollten? Er kündet von der Suche des Menschen nach seinem lichterfüllten Vorbild... er spricht vom noch Unerlösten, das im Abgrund der Gegensätze gefangen, nach seiner Heimat sucht... und wie sie gefunden werden kann.

Die Seele dessen, der noch im alten Weltbild, im Gewesenen gefangen ist, gleicht dem vom "Schwarzen Angler" geköderten Fisch.

IN DER HAND DES "SCHWARZEN ANGLERS"

IST DER ANGELHAKEN.

SEINE LOCKSPEISE: DER MENSCHLICHE GEDANKE.

SCHNAPPE NICHT DANACH, FISCH!

DEIN RACHEN WIRD ZERRISSEN!

DER FISCH STIRBT

UND DER SCHWARZE ANGLER LäCHELT. [397]

Der Höhepunkt unseres langen Wegs durch den Bereich des dualistischen Denkens war das Aion der Fische, das sich nun schon erschöpft. Es steht im Zeichen der Zweiheit: zwei Fische in zwei Richtungen. Sie schwimmen im Strom der Zeit, dessen Tendenz horizontal ist. Auch das stete Auf-und-Ab seiner Wellen gilt als Symbol der Zweiheit: Himmel-Hölle... Engel-Teufel... Gut-Böse. Die trüben Gewässer der Dualität sind das für uns "Fische" so bedrohliche Jagdgebiet des "Schwarzen Anglers". Der Engel aber spricht vom Ende der Gegensätze, vom unsicheren, ja gefährlichen Übergang ins Zeitalter des Wassermanns.

Und diese Gefahr ruft das Beschützende, den sicheren Fährmann auf. Er kann uns heute schon über den Zeitenstrom in die überzeitliche Einheit, in die neue Dimension führen.

Der Mythos der vierten Dimension ist unser aller noch ungelebter Mythos. Er trägt das Bild des Menschen, der mit souveränem Mass das eine Wasser - das Wasser des Lebens - aus seinem Krug nach unten giesst. Er ist nicht mehr im Wasser wie die Fische, sondern über dem Element der Zweiheit. Die Tendenz des Wassermann-Zeitalters ist vertikal. Dieser Mythos wird in der heutigen Zeit uns allen erlebbar.

HIMMEL UND HöLLE STüRZEN EIN,

DENN ES KOMMT DAS LICHT.

ES SENKT SICH NICHT NIEDER,

DENN ES GIBT KEINE HöLLE MEHR.

ES ERHEBT SICH NICHT,

DENN ES GIBT KEINEN HIMMEL MEHR.

EWIG HIER WOHNT DIE vier, die einheit. [366]

Heute wird der Glaube an die Macht des trennenden Gedankens - der uns einst zur Bewusstwerdung verhalf - zum selbstgeschaffenen Kerkermeister und führt zum Erstarren im Alten.

ERSTARRTE VöGEL, DAS GEFäNGNIS IST OFFEN

UND IHR WAGT NICHT, ZU FLIEGEN!

ICH SCHRECKE EUCH AUF, DAMIT IHR FLIEGET! [191]

Der heutige Mensch ist schon fähig, das neue Element, das den Verstand übersteigende Erkennen, im freien Flug zu erreichen.

DAS ERKENNEN IST NICHT VERSTEHEN.

DAS ERKENNEN IST LICHT, DAS IST, DAS GIBT.

DAS ERKENNEN IST IN WAHRHEIT: liebe. [338]

Liebe ist gegensatzfrei. Wirkt sie, so wird der herrschsüchtige Schwarze Angler, der Herr des Gedankens, zum Diener des Erkennens. Er dient nun auf dem ihm seit jeher vorbestimmten Platz, wo das Licht der Eingebung durch ihn klar geformt und treu ausgeführt wird.

DAS ERKENNEN DURCHDRINGE DEN GEDANKEN!

MIT DEM KOPF SOLLT IHR KEINE PLäNE SCHMIEDEN,

MIT DEM KOPF FüHRT PLäNE AUS.

DER PLAN IST BEIM vater. jeder plan. [231]

Der Mythos des neuen Aions jedoch führt noch weiter:

Im Licht des Erkennens werden die Gegensätze gewandelt. Sie werden zu den zwei Liebenden des Alls, die sich unwiderstehlich anziehen und Vereinigung erstreben.

Die Gegensätze bekämpfen sich nicht mehr, und je individueller sie in ihrer Eigenart sind, um so vollkommener ergänzen sie sich in ihrer "Hochzeit", im liebenden EINS-WERDEN. Die Frucht davon ist das "Neue Kind" - unser vollständiges Selbst - aus Licht und Materie neugeboren.

Der tiefe Sinn langer, geheimnisvoller Mythen dunkler Vorzeiten wurde vom Engel für die jetzige Zeit in fünf knappe, lichte Worte gefasst:

HALB GOTT, HALB ERDE - WERDE! [152]

Dieser neue Mythos ist ein universelles Geschehen, das sich heute zu Beginn eines neuen "Weltenmorgens" in jedem von uns erleben und jeden von uns neu beleben will.

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